Unter »Pinzieren« versteht man das Ausbrechen oder Abkneifen von jungen, noch nicht verholzten Triebspitzen mit einer Pinzette oder den Fingerspitzen. In der Tat ist die Arbeit mit den Fingerspitzen vorzuziehen, da dabei die verbleibenden Nadeln nicht verletzt werden. Der Neuaustrieb eines Nadel-Bonsai wird niemals mit einer Schere eingekürzt, da diese Arbeit selbst mit der schmalsten Bonsaischere nicht schonend genug bewältigt werden kann. Besonders bei Bonsai aus Nadelgehölzen ist die Methode des Pinzierens bestens geeignet, das Längenwachstum der Triebe sowie die Verzweigung und in einem gewissen Maße auch die Länge der Nadeln zu beeinflussen.
Im Detail ergreift man beim Pinzieren mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand den Teil welcher erhalten werden soll. Mit den Spitzen von Daumen und Zeigefinger der Rechten greift man den zu entfernenden Teil der Kerze, dreht ihn kurz nach links als ob man ihn festschrauben wolle und bricht ihn anschließend ab. Linkshänder verfahren spiegelbildlich. Bereits nach kurzer Zeit hat man diese Methode gut »im Griff« und kann schnell aber sorgfältig arbeiten.
Exemplarisch sei hier das richtige Pinzieren eines Kiefern-Bonsai (Pinus spec.) beschrieben, bei allen anderen Koniferen wird es aber ähnlich gemacht. Entscheidend für den Erfolg des Pinzierens ist der richtige Zeitpunkt, welchen man durch ständige Beobachtung des Bonsai bestimmt.
Die Knospen, aus denen sich bei einer Kiefer im weiteren Verlauf des Wachstums die neuen Triebe entwickeln, nennt man aufgrund ihres Aussehens »Kerzen«. Zu Beginn stehen sie nahezu senkrecht und neigen sich erst zur Seite, wenn sie größer und somit schwerer werden. Ihre endgültige Stellung ist fast waagrecht. Diese »Kerzen« finden wir immer an den Enden der Zweige und Äste. Im Spätsommer angelegt sind sie noch recht unscheinbar und behalten ihre Größe bis zur nächsten Wachstumsperiode im folgenden Frühjahr.
Zu Beginn der Wachstumsperiode im Frühjahr erfolgt zuerst ein deutliches Längenwachstum der »Kerzen«, welches nach einiger Zeit zum Stillstand kommt. Erst danach entwickeln sich die Nadeln zu ihrer endgültigen Form.
Um eine feine Verzweigung zu erhalten, werden bei einem Kiefern-Bonsai (Pinus spec.) alle Kerzen pinziert, sobald ihr Längenwachstum beendet ist. Je nachdem, ob eine Zweigverlängerung gewünscht ist oder nicht wird entweder die Kerze eingekürzt oder ganz herausgebrochen. Etwa sechs bis acht Wochen nach dem Pinzieren entwickeln sich zwischen den vorhandenen Nadelbüscheln weitere Knospen. Diese werden später zu Zweigen heranwachsen und eine feinere Verzweigung ergeben.
Ist der Kiefern-Bonsai in seiner Grundform festgelegt und ausreichend verzweigt, pinziert man die Kerzen am besten vor Beginn des Längenwachstums. Dies regt den Bonsai zu einem weiteren Austreib an, wobei die Krone des Bonsai dichter wird. Zudem werden die folgenden Nadeln etwas kürzer werden als die bereits vorhandenen.