BCI (Bonsai Clubs International) ist eine nicht gewinnorientierte, steuerbefreite Bildungsorganisation nach dem Recht des Staates Kalifornien. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ästhetik und Geschichte sowie die gartenbaulichen und wirtschaftlichen Aspekte der Bonsaikunst und verwandter Künste in der Öffentlichkeit zu fördern und die eigenen Mitglieder weiterzubilden. Die BCI Conference 2016 fand in Makati City auf den Philippinen statt, die BCI Conference 2017 in Taiwan.
Der BCI World Congress in Mulhouse (Frankreich) war das bedeutendste Bonsai-Event des Jahres 2018 in Europa. Zwölf international bekannte Demonstratoren, 200 Bonsai, zahlreiche Suiseki und Kusamono. Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, es war nur knapp 600 Kilometer entfernt…
Zwei Tage lang habe ich die Veranstaltung besucht, verschiedenen Demonstratoren bei ihren Gestaltungsarbeiten zugesehen, Gespräche mit Bonsai-Freunden aus ganz Europa geführt, beeindruckende Exponate betrachtet und natürlich auch die mir bekannten Händler begrüßt. Es waren mehr Eindrücke, als ich verarbeiten konnte und viel zu viele, um sie hier einzeln aufzuzählen.
Zahlreiche Bonsai habe intensiv betrachtet und einen Teil auch fotografiert. Eine Auswahl der Bilder möchte ich Euch zeigen. Wie üblich verzichte ich darauf, die Gestalter und Besitzer der Bäume zu nennen, um sie vor »ungebetenen nächtlichen Besuchern« zu schützen.
Dieser Baum gehört zu den schönsten Oliven-Bonsai Spaniens. Der alte knorrige Stamm ist teilweise entrindet (Shari) und gespalten bzw. ausgehöhlt (Sabamiki) und erweckt so den Eindruck eines viele Jahrhunderte alten Olivenbaumes. Die Schale stammt aus Japan.
Shari und Sabamiki sind auch bei dieser Japanischen Eibe eines italienischen Bonsaifreundes ein wichtiges Gestaltungsmerkmal. Auch dieser Bonsai steht in eines Schale aus Japan.
Ausgeprägte Totholzarbeiten auch an diesem Abendländischen Lebensbaum, auch Gewöhnliche Thuja genannt. Der Bonsai wurde ursprünglich von John Naka gestaltet und befindet sich heute im Besitz eines deutschen Bonsai-Enthusiasten. Gepflanzt ist er in eine Schale von Kai Sperling.
Apropos John Yoshio Naka: Welcher Bonsaifreund kennt nicht sein bedeutendstes Werk? Goshin (護神), Beschützer des Geistes, ist eine Waldpflanzung aus Juniperus chinensis 'Foemina'. Begonnen hat die Gestaltung mit zwei Bäumen im Jahr 1948. Zum Wald wurde die Pflanzung ab 1964. Zuerst waren es vier Bäume, die in kurzer Zeit um drei weitere Exemplare ergänzt wurden. Sieben Bäume sollten seine damals sieben Enkelkinder symbolisieren. Später erweiterte John Yoshio Naka der Wald auf elf Bäume, um ihn seiner größer gewordenen Enkelschar anzupassen. Heute ist Goshin im Besitz des National Bonsai & Penjing Museum am United States National Arboretum in Washington, D.C.
Wir zählen kurz mal nach… Sieben Bäume: Nein, in Mulhouse wurde Goshin nicht ausgestellt. Aber es ist gut vorstellbar, daß sich der Gestalter des oben gezeigten Waldes von einem der wohl bekanntensten Bonsai der Welt inspirieren lies.
Diese Gemeine Fichte, auch Rotfichte genannt, ist das Werk eines französischen Gestalters. Stilelemente sowohl einer Kaskade als auch einer Felsenpflanzung vereinen sich hier zu einer aufregend neuen Darstellungsform, deren Dynamik mich überaus beeindruckt hat. Die Schale ist eine Arbeit des tschechischen Künstlers Erik Križovenský.
Dramatischer als beim klassischen japanischen Moyōgi (模様木) ist der Stamm eines Bankan (蟠幹) gewunden, welcher besonders in China sehr beliebt ist. Der französische Gestalter hat Jin und Shari dieses Sadebaumes sorgfältig angelegt und einen harmonischen Bonsai geschaffen. Die Schale stammt aus der Werkstatt von Juan Delire.
Kusamono werden mitunter als »Bonsai des armen Mannes« bezeichnet. Gestaltet werden Kusamono nicht aus verholzenden, sondern aus krautigen Pflanzen. Farne, Gräser, Stauden und Moose werden kombiniert und in eine Schale gepflanzt. Die Entwicklung einer solchen Pflanzengemeinschaft verläuft natürlich schneller als die Gestaltung eines Gehölzes. Dennoch brauchen Kusamono genau wie Bonsai eine regelmäßige Pflege und eine gestaltende Hand.
Ich lehne daher die oben erwähnte Bezeichnung ab. Kusamono ist eine Kunstform, welche zwar mit Bonsai gewisse Gemeinsamkeiten hat, letztendlich aber unabhängig daneben besteht.
Anders als Shitakusa, welche als Akzentpflanzen oder »Beisteller« einen Bonsai unterstützen, sind Kusamono das Hauptelement einer Präsentation im Tokonoma. In Europa beschäftigt man sich, verglichen mit Bonsai, erst seit recht kurzer Zeit mit Kusamono. Dennoch sind auf Bonsai-Ausstellungen zunehmend beachtenswerte Kreationen zu entdecken.
Suiseki (水石, japanisch für »Wasser und Stein«) werden auch als »Betrachtungs-« oder »Gelehrtensteine« bezeichnet. Sie genießen in Japan, China und Korea eine hohe Wertschätzung. Es handelt sich dabei um von Wind und Wasser geformte Steine, die auf flachen Tabletts oder maßgeschnitzten Holzsockeln (Daiza) präsentiert werden. Manche dieser Steine erinnern uns an Tiere, andere scheinen eine Landschaft darzustellen oder zeigen abstrakte Farbmuster. Große Suiseki können als Hauptelement ihren Platz im Tokonoma finden, kleinere Steine dienen häufig anstelle von Shitakusa als begleitendes Element eines Bonsai.
Als Kengai (懸崖) hat ein Bonsaifreund aus der Schweiz diese Bergkiefer gestaltet. Die Kaskadenform stellt einen Baum im Hochgebirge dar. Er wächst unter ungünstigen Bedingungen an einer Felswand, Wind und Schneelast haben die Krone bis unterhalb des Wurzelansatzes herabgedrückt. Die Gestaltung des Totholzes, unterstützt durch den kräftigen Wurzelansatz, verstärkt den Eindruck extremer Witterungseinflüsse, denen der Baum an seinem Standort ausgesetzt ist.
Diese Halb-Kaskade (Han-Kengai, 半懸崖) wurde aus einer Kreppmyrte gestaltet. Der Bonsai in Shohin-Größe wurde in einer Schale gepflanzt, welche durch Farbe und Struktur die Erinnerung an einen rauhen, felsigen Standort hervorruft.
Das natürliche Vorkommen der Krepp- oder auch Kräuselmyrten genannten Pflanzen erstreckt sich vom indischen Subkontinent über Südostasien bis nach China, Korea und Japan. Lagerstroemia indica ist mäßig frosttolerant und bevorzugt in der warmen Jahreszeit einen vollsonnigen Standort.
Lärchen sind sommergrün, im Winter verlieren sie ihre Nadeln. Im Herbst jedoch erscheinen die sich gelb färbenden Lärchennadeln besonders im Abendlicht wie in leuchtendes Gold getaucht. Der belgische Gestalter dieses Bonsai entschied sich für eine formale Schale aus Japan, welche aufgrund ihrer klaren Linienführung gut zu dem robust erscheinenden Baum paßt.
Ishitsuki (石付き) heißt die Form, bei welcher Bonsai auf oder in einem Felsen wachsen. Lediglich kleine Spalten oder Vertiefungen im Stein enthalten Substrat, in welchem die Pflanzen wurzeln können. Diese Felsenformen sind sehr pflegeintensiv, die geringen Erdmengen trocknen sehr schnell aus und der Bonsai muß häufig gewässert werden. Ein belgisches Ehepaar gestaltete dieses Ishitsuki aus einer recht trockenresistenten Fichtenart. Zur Verbesserung des Kleinklimas steht der Fels zudem auf einem flachen, wassergefüllten Tablett (Suiban).
»Bois de Sainte-Lucie«, Gehölz der Heiligen Lucia (von Syrakus) nennt man die Steinweichsel in Frankreich. Der Legende nach sollte die wundertätige Lucia, welche im vierten Jahrhundert in Syrakus gelebt hat, aufgrund ihres christlichen Glaubens in ein Bordell verschleppt werden. Aber selbst ein Ochsengespann und 1000 Männer sollten nicht in der Lage gewesen sein, Lucia gegen ihren Willen abzuführen. Eine standhafte Frau. Genauso standhaft erscheint uns dieser Bonsai. Vom Blitz getroffen, von Wind und Wetter gezeichnet, widersetzt sich der Baum allen Gewalten und grünt und erblüht jedes Jahr aufs Neue. Der französische Gestalter töpferte seinem Bonsai auch gleich die sechseckige Schale, deren formale Strenge durch einige Details ein wenig abgemildert wird.
Der Löwenkopf-Ahorn ist ein Kultivar des Japanischen Fächerahorns. Er hat stark gekräuseltes Laub und die von Natur aus kurzen Internodien begünstigen eine Gestaltung mit dichtem Blattwerk. Ein deutscher Gestalter hat diesen Ahorn in frei aufrechter Form (Moyōgi 模様木) erzogen. Der vom mächtigen Wurzelansatz bis zur Spitze ein wenig gewundene Stamm verleiht diesem Baum trotz seiner hohen Masse eine gewisse Leichtigkeit. Die helle, mattglasierte chinesische Schale paßt zur beginnenden Herbstfärbung, ohne zu dominant zu erscheinen.
Ein französischer Künstler gestaltete diesen Bonsai aus zwei Buchsbäumen und töpferte auch die äußerst ungewöhnliche Schale dazu. Beides für sich herausragende Meisterwerke, in Kombination ist das Weltklasse! Kein Exponat der Ausstellung hat mich mehr beeindruckt.
Balearen-Buchsbäume stammen aus dem westlichen Mittelmeergebiet. Vorkommen gibt es auf Sardinien, den namensgebenden Balearischen Inseln, einigen Gebieten in Ost- und Südspanien sowie in einem Nationalpark im marrokanischen Er Rif-Gebirge. Überall in Spanien gilt Buxus balearica als bedrohte Pflanzenart. Einem vielfach ausgezeichneten Meister gelang die Gestaltung des seltenen Rohmaterials zu einem bemerkenswerten Baum, welcher zu den bedeutendsten Buchs-Bonsai Spaniens gezählt wird.
Klein, kleiner, am kleinsten…
Dieser Feigen-Bonsai ist weniger als 20 Zentimeter hoch und wird daher als Shohin bezeichnet. Die halbierten Früchte haben einen Durchmesser von weniger als 2 Zentimetern. Der Baum ist Teil eines größeren Ensembles aus mehreren Shohin.
Noch kleiner als Shohin sind Mame. Sie sollen lediglich eine Größe bis maximal 10 Zentimetern erreichen. Diese geradezu winzige Kaskade steht in einer Porzellanschale mit einer Kantenlänge von unter zwei Zentimetern. Vermutlich muß der »Zwerg-Bonsai« mehrmals täglich mit einer Pipette tropfenweise gewässert werden.
Vor meinem Schlußwort noch einige weitere Exponate als Slideshow:
Sowohl die lange Anreise als auch der hohe Eintrittspreis haben sich für mich gelohnt. Die überwiegende Anzahl der ausgestellten Bonsai gehörten zur Spitzenklasse, erreichten teilweise Weltklasse-Niveau. Über die Schwächen der Veranstaltung möchte ich den Mantel des Schweigens breiten. Auch über die teilweise äußerst gewöhnungsbedürftige Präsentation einiger Bäume wird von anderer Stelle berichtet werden. Die Vielzahl der Eindrücke machte es erforderlich, daß ich meinen Rundgang mehrfach unterbrechen mußte. Ich nutze diese Pausen, um im Händlerbereich mit alten Bekannten zu plaudern und neue Freundschaften zu schließen.
Begrüßt habe ich unter anderem Martin Sturm von Bonsai Sturm , Bastian Busch von der Bonsai-Werkstatt Düsseldorf , die Keramiker Roman Husmann und Thor Holvila .
Der finanzielle Aufwand für Anreise, Übernachtung und Eintritt ließ keinen Spielraum für umfangreiche Einkäufe mehr. Aber ich habe endlich Sven Berthold von Grünton persönlich kennengelernt und ein paar weitere Zwerg-Hosta für meine langsam größer werdende Sammlung erworben, bevor ich die Rückreise antreten mußte. Ein anstrengendes Wochenende, welches ich aber nicht bereue.