Endlich war es wieder soweit: Die vorletzte gemeinsame Veranstaltung der EBA (European Bonsai Association) und des BCD (Bonsai-Club Deutschland) auf deutschem Boden fand 2011 in Ratingen statt. Für das Event im Juni 2022 reiste ich nach Augsburg. Und das hat sich wahrlich gelohnt:
Die Besucher erwartete ein Kongress der Superlative. Harald Lehner und Klaus Klemmer haben in Zusammenarbeit mit den Bonsai-Arbeitskreisen Grafrath und Augsburg den europäischen Bonsai-Freunden eine große Show geboten. Zu den Gestaltungsdemonstrationen waren aus Japan Yoshihiko Moriyama, Daisuke Katagiri und Hiroaki Suzuki angereist. Aus Deutschland und den Niederlanden standen Jelle Ferwerda, Wolfgang Egbert, Werner M. Busch, Christian Przybylski und Hartmut Münchenbach auf der Bühne. Darüber hinaus führte Othmar Auer (Italien) theoretisch und praktisch in die Kunst des Kusamono ein und Peter Warren (Großbritannien) erläuterte und demonstrierte Pflegeschnitte an Azaleen.
Ein großer Händlerbereich lud zum Stöbern ein. Angeboten wurde alles, was das Herz eines Bonsai-Liebhabers höher schlagen lassen konnte. Von Jungpflanzen über Yamadori und gut vorbereitetem Rohmaterial bis zu eindrucksvollen Solitären, Bonsai-Keramik in allen Größen und Preislagen, Werkzeug und sonstiges Zubehör, Dünger und Pflegemittel konnte erworben werden.
Für die überwiegende Zahl der Besucher war jedoch die hochkarätige Ausstellung der Hauptanziehungspunkt. Einige der gezeigten Bäume möchte ich Euch zeigen, wobei ich mir erlaube, auf das Buch »Bonsai-Faszination 2022« vom Bonsai-Club Deutschland hinzuweisen. Das Redaktionsteam des Mitgiedermagazins des BCD hat auf gut 180 Seiten die nicht nur schönsten Exponate zusammengetragen, sondern auch Berichte über die einzelnen Aktionen des Veranstaltung veröffentlicht. Sicher gibt es sowohl vom BCD als auch bei einzelnen Bonsaihändlern noch genug Exemplare des in limitierter Auflage erschienenen Sammlerbuches.
Wie üblich werde ich die Besitzer der Bäume nicht nennen. Dies geschieht nicht aufgrund mangelnden Respektes gegenüber den Bonsai-Freunden, die ihre Schätze einmal mehr einem internationalen Publikum gezeigt haben, sondern ist der Überlegung geschuldet, dass ich niemanden auf dumme Ideen bringen möchte. Immer wieder hören wir leider davon, dass Bonsai gestohlen werden. Und egal, wie hoch der tatsächlich bezifferbare Schaden ausfällt, der ideelle Verlust ist in der Regel noch deutlich höher. Zahlreiche der entwendeten Bäume dürften sich innerhalb der Community aufgrund ihres Bekanntheitsgrades sowieso nicht verkaufen lassen und nicht wenige auch mangels sachkundiger Pflege letztendlich ihren Weg auf den Kompost antreten. Sollte jemand hier seinen Baum entdecken und es wünschen, auch namentlich erwähnt zu werden, bitte ich um Kontaktaufnahme per eMail.
Dieser gut 70 cm große Fächer-Ahorn, »Acer palmatum«, steht in einer hellen, cremefarbenen Schale aus Tokoname, Japan.
Löwenkopf-Ahorne, Acer palmatum 'Shishigashira', zeichnen sich durch von Natur aus kurze Internodien aus. Somit ist allein durch Schnittmaßnahmen eine besonders feine Verzweigung und eine dichte Belaubung zu erreichen. Dieser etwa 70 cm hohe Baum wird in einer Schale von Kai Sperling präsentiert.
Dieser Perückenstrauch, Cotinus coggygria, in einer Schale von Walter Venne hat mich jedes Mal begeistert, wenn ich an ihm vorüber gelaufen bin.
Die Kerb-Buche, Fagus crenata, läßt sich als asiatische Schwester unserer heimischen Rotbuche (Fagus sylvatica) bezeichnen. der gut 70 cm hohe Baum steht in einer hellblauen Schale aus Tokoname, Japan.
Rotbuche, Fagus sylvatica, in einer Schale des österreichischen Keramikers Josef Mairhofer.
Aus Spanien wurde diese Wildolive zur Ausstellung gebracht, mich begeistert besonders der in harmonischen Windungen geschwungene Stamm mit der beeindruckenden Totholz-Arbeit. Der etwa einen Meter große Baum in einer Schale aus der Keramikmanufaktur Kaizan in Tokoname, Japan, wurde mit dem EBA Merit Award ausgezeichnet.
»Satsuki« (五月) ist die japanische Bezeichnung des Monats Mai und steht hier für die Hauptblütezeit dieser seit Jahrhunderten gezüchteten Azaleen-Art. Ihre gute Schnittverträglichkeit und die Fähigkeit, auch aus alten Holz problemlos auszutreiben, machen diese Art nicht nur in Japan zu beliebten Gehölzen zur Bonsaigestaltung. Diese etwa 50 jahre alte Pflanze steht in einer Schale von Bryan Albright.
Ulmus parvifolia, die Chinesische Ulme, wird aufgrund ihrer kleinen Blätter gern als Bonsai gestaltet. Hier gezeigt ein etwa 80 cm hoher Baum in einer blaugrün glasierten Schale aus China.
Sehr selten als Bonsai zu sehen ist der Zwerg-Schneeball. Der sommergrüne Kleinstrauch mit der botanischen Bezeichnung Viburnum opulus 'Nanum' blüht von Mai bis Juni und begeistert vor dem Blattfall noch einmal mit orangefarbenem bis tiefrotem Herbstlaub. Dieser mehrstämmige, etwa 60 cm hohe Bonsai steht in einer Schale von Frank Müller.
Der 'Itoigawa' ist eine Varietät des Chinesischen Wacholders, Juniperus chinensis. Gezeigt wird eine sehr natürlich wirkende Floßform mit herrlichem Totholz in einer japanischen Schale.
Die Krummholz- oder Bergkiefer, Pinus mugo, fehlt auf keiner Bonsai-Ausstellung. Die vielgestaltige Kiefernart mit mehreren Unterarten und Zwischenformen ist in allen europäischen Gebirgen zu finden, mitunter bis in Höhenlagen von 2500 Metern und mehr.
Eine weitere Bergkiefer in vollkommen anderer Gestaltung mit ausgeprägtem Totholz.
Diese Wald-Föhre oder Waldkiefer wurde in der Literatenform gestaltet. Der knapp einen Meter hohe Baum steht in einer chinesischen Schale und wurde mit dem BCI Award ausgezeichnet.
In einer Schale aus dem berühmten Keramikofen Yamaaki, errichtet von Akitsuga Kataoka, präsentiert sich diese Japanische Eibe. Der geschwungene Stamm und verhältnismäßig wenig Totholz verleihen diesem kräftigen, etwa 70 Zentimeter hohen Baum eine gewisse Leichtigkeit.
Die Gold-Medaille verdiente dieses Shohin-Display:
Zum ersten Mal wurde dem Thema »Kusamono« ein größerer Stellenwert beigemessen. Die recht junge Disziplin gewinnt auch in Europa mehr und mehr Anhänger und verdient daher auch eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Dem trägt auch der Bonsai-Club Deutschland Rechnung und hat den organisierten Kusamono-Freunden seit 2022 auch den Status eines Regionalverbandes zuerkannt.
Der Wanderpokal für das beste Kusamono wurde für diese Pflanzung verliehen. Zum dominierenden Essigbaum, Rhus succedanea, gesellen sich Saxifraga cortusifolia (Herbst-Steinbrech), Ophiopogon japonicus (Schlangenbart) und Selaginella in einer Schale von Horst Heinzlreiter.
Auf einem Stück Treibholz wurden Hydrangea serrata (Japanische Berghortensie), Houttuynia cordata 'Chameleon' (Bunter Eidechsenschwanz) und Equisetum spec. (Schachtelhalm) arrangiert.
Auch als einzelne Pflanze macht die »luftig« gestaltete Hydrangea serrata eine gute Figur. Der zierliche Strauch hier in einer Schale von Sven Berthold.
Ein besonderer Bereich der Ausstellung war den Waldpflanzungen vorbehalten.
Diese Waldform (»Yose-ue«, 寄せ植え, wörtliche Übersetzung: »gruppiert eingepflanzt«) besteht aus Scheinzypressen, Chamaecyparis spec., im Alter von etwa 20 bis 60 Jahren. Die Gruppenpflanzung konnte den zweiten Platz in der Kategorie »Wald« erringen und wurde gleichzeitig als bester importierter Bonsai ausgezeichnet.
Und bevor nun die Frage aufkommt, warum ich Euch nicht hauptsächlich die prämierten Stücke gezeigt habe, liefere ich auch schon die Antwort:
Die Preisträger werden sicher in international bekannten Bonsai-Magazinen, Club-Zeitschriften und dem Internet zu sehen sein. Auch das anfangs erwähnte Buch wird diesen Exponaten einen gebührenden Raum zur Verfügung stellen. Ich jedoch möchte Euch beweisen, dass nicht nur die Stücke Beachtung verdient haben, die es auf das Siegertreppchen geschafft haben. Auf überregionalen Bonsaiausstellungen wird zwischenzeitlich eine so große Anzahl guter bis sehr guter Bonsai gezeigt, dass sich ein Besuch immer lohnt. Sicher laufen wir uns bei irgend einer Gelegenheit einmal über den Weg. Und wenn Du zu den Ausstellern zählst, freue ich mich darauf, wenn Du mir Deinen Baum zeigen möchtest und mir ein paar Worte dazu sagst.