Es ist bereits eines meiner Rituale: Seit langem schon beginne ich jedes Bonsai-Jahr mit einem Besuch der »Trophy« in Genk. Die größte regelmäßig veranstaltete Bonsai-Ausstellung Europas wird ausgerichtet von der Bonsai Association Belgium.
Und wie so oft habe ich einige Fotos gemacht, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Es ist nur eine sehr kleine Auswahl, denn einerseits fotografiere ich keineswegs jeden Baum und andererseits möchte ich Euch dazu animieren, diese großartige Show einmal selbst zu besuchen. Die Veranstaltung findet stets im Februar statt, daher tragen die Laubbäume noch keine Blätter. Einen Bonsai-Neuling mag dies möglicherweise enttäuschen, den erfahrenen Besuchern jedoch erlaubt dieser Umstand den Blick auf die mit hohem Aufwand erreichte Feinverzweigung der Baumkronen.
Beginnen möchte ich mit einem Baum oder besser mit einer Präsentation, welche wie keine Zweite zu erheblichen Diskussionen Anlaß gab - nicht nur auf der Ausstellung selbst, sondern auch in den sozialen Netzwerken, in denen sich Bonsaifreunde aus aller Welt austauschen.
Die Reaktionen auf dieses Display reichten von Verachtung und Abscheu über amüsiertes Interesse bis zum Lob für ein gelungenes Kunstwerk. Ich enthalte mich an dieser Stelle jeglicher Interpretation und weise darauf hin, daß ich es als »Running Gag« verstehe. Immerhin war bereits auf der »Trophy 2023« ein ähnliches Szenario zu sehen. Bildet Euch selbst eine Meinung, diskutiert sie im Arbeitskreis… Ich bin gespannt, ob die Geschichte in 2025 eine Fortsetzung findet.
»And now for something completely different…« um es mit John Cleese zu sagen: Bei dieser Felsenpflanzung (Ishizuki) mit Chinesischen Wacholdern waren sich wohl die meisten Betrachter einig: Dieser Bonsai hat zu Recht einen der ersten Preise verdient.
Die überaus reife Baumgruppe samt Unterholz, gepflanzt auf einen flachen Naturstein, stellt eine Szene dar, wie wir sie an einem leicht abschüssigen Felshang erwarten dürfen. Eine große Herausforderung bei einer Felsenpflanzung besteht in dem Unstand, daß hier im Vergleich zu einer Bonsaischale zumeist mit einem noch kleineren Substratvolumen gearbeitet werden muß. Der bekannte Bonsaigestalter aus der Schweiz hat hier wahrhaft ein meisterliches Werk vollbracht.
Die wenig erfahrenen Besucher der »Trophy« sind nicht selten ein wenig ratlos: Es ist noch sehr früh im Jahr und die Laubbäume haben noch keine Blätter. Anstatt einer dichten grünen Baumkrone sieht man hier nur nackte Äste und Zweige.
Eine kurze Erklärung leuchtet ihnen jedoch schnell ein: Nur in diesem Zustand läßt sich die Feinverzweigung genau betrachten. Ein derartiges Ergebnis wie bei diesem Granatapfel ist nur durch viele Jahre sorgfältiger und regelmäßiger Arbeit zu erreichen.
Den beginnenden Austrieb der Blätter kann man an dieser Waldpflanzung aus Japanischen Fächerahornen erkennen. Die sehr zarten Blätter der Zuchtform Kashima zeigen noch orangefarbene Spitzen, bevor sich das Laub im Verlauf des Jahres zunächst kräftig grün verfärbt um im Herbst in leuchtend goldgelbem Feuer zu erstrahlen.
Eine weitere Felsenform wurde hier aus einem Dreispitz-Ahorn gestaltet. Die kräftigen Wurzeln dieser aus Ostasien (Japan, Taiwan und südöstlichen Provinzen Chinas) umgreifen das karge Gestein und wachsen hinunter ins moosbedeckte Substrat.
Für derartige Gestaltungen eignen sich diverse Kultivare und Arten des Ahorns besonders gut, da diesen Pflanzen von Natur aus ein starkes Wurzelwachstum zu eigen ist.
Auch der sommergrüne Fingerstrauch zeigt bereits das erste Laub. Entstanden ist diese Waldform (Yose-ue, 寄せ植え) aus Yamadori, also aus in der Natur gesammelten Pflanzen.
Der überaus mächtige Stamm dieser Sawara-Scheinzypresse mit dem markanten Wurzelansatz läßt erahnen, daß der frei aufrechte Bonsai aus einer deutlich größeren Gartenpflanze gestaltet wurde. Diverse Zuchtformen des ursprünglich aus Japan stammenden immergrünen Baumes, welcher am natürlichen Standort bis zu 50 Meter hoch werden kann, werden in Europa als Ziergehölze in Parks und Gärten gepflanzt.
Viel Geduld und sorgfältig geplante Arbeitsschritte sind notwendig, einen derart überzeugenden Bonsai zu gestalten.
Die Chinesischen Wacholder für diese Waldpflanzung stammen aus der Baumschule. Dargestellt ist hier eine Baumgruppe in felsigem Gelände, möglicherweise an einem Wasserlauf. Die gleichmäßige Verteilung der Äste und Zweige deutet auf eine Szene an einem eher windgeschützen Standort hin.
Die Chinesische Quitte, Pseudocydonia sinensis, wird nicht selten mit Chaenomeles speciosa verwechselt. Im Gegensatz zu dieser ebenfalls als Chinesische (Zier-)Quitte bezeichneten Pflanze hat Pseudocydonia jedoch keine Dornen und trägt Einzelblüten anstelle der bei Chaenomeles oft in Gruppen angeordneten Blüten. In der Natur wächst Pseudocydonia sinensis als Baum von mehr als 10 Metern Höhe mit einer dicht verzweigten Krone.
Dieser Bonsai ist als frei aufrechte Form (Moyogi, 模様木) gestaltet worden, wobei die natürliche Wuchsform sehr gut nachempfunden wurde. Die ersten Blattknospen öffnen sich soeben, später wird der Baum fein gezahnte wechselständige Blätter zeigen. Zur Mitte des Frühlings trägt der Bonsai dann seine Blüten.
Die überaus schnittverträglichen Hainbuchen sind ein beliebtes Gehölz für Hecken, nicht näher mit den Rotbuchen (Fagus sylvatica) verwandt. Die wüchsigen Pflanzen eignen sich sehr gut zur Gestaltung als Bonsai, hier zu sehen als Waldpflanzung (Yose-ue, 寄せ植え).
Einer natürlichen Baumgruppe nachempfunden wurden Bäume unterschiedlichen Alters in eine sehr flache Schale gepflanzt. Zu erkennen ist die Tendenz der jüngeren Bäume, unter den dichten Kronen der größeren Exemplare nach Licht zu streben. Diese Gestaltung hat sich die Anerkennung der Jury verdient.
Wie auch in den vergangenen Jahren wurden einige herausragende Arbeiten europäischer Keramiker sowie Suisekipräsentiert.
Beispielhaft zeige ich oben eine außergewöhnliche Schale des französischen Töpfers Greg Delattre, Inhaber des bekannten Ateliers Greg Ceramics.
Nun bin ich fast am Ende meines kurzen Berichtes und viel mehr Fotos habe ich aufgrund des Wulings auch nicht gemacht. Wuling? Dieser ursprünglich aus der Seemannssprache stammende Begriff wird heute im übertragenen Sinn oft für Durcheinander oder eine Menschenmenge verwendet. Die Veranstaltung war wie gewohnt sehr gut besucht und erfahrungsgemäß fühlen sich die Besucher beim Betrachten der Exponate gehindert, wenn ich mit meiner Kamera längere Zeit vor einem Baum verharre um den richtigen Aufnahmewinkel zu finden. Daher nun zum Schluß:
In der chinesischen Provinz Guizhou befindet sich das Wuling-Gebirge. Und von eben dort stammt das oben gezeigte Suiseki. Derartige Steine haben ihre ausdrucksreiche Form durch natürliche Prozesse erhalten. Üblicherweise werden sie auf Holzsockeln oder flachen, sandgefüllten Tabletts präsentiert. Dieses Suiseki wird aufgrund seiner Form als Höhlenstein (Dokutsu-ishi) bezeichnet.
Die nächste Trophy findet vom 21. bis 23. Februar 2025 statt. Vielleicht treffen wir uns ja dort?