Nach einer pandemiebedingten Pause gab es 2023 endlich wieder die »Trophy«. Lange Zeit haben Aussteller, Besucher und auch Händler darauf gewartet, dass das bedeutendste regelmäßig veranstaltete Bonsai-Event Europas wieder die Pforten öffnen konnte. Ende Februar war es endlich soweit und zahlreiche Bonsai-Freunde strömten nach Genk in der belgischen Provinz Limburg, um eine hochkarätige Ausstellung zu besuchen, Demonstrationen international bekannter Bonsaigestalter beizuwohnen und im umfangreichen Angebot der anwesenden Händler zu stöbern.
Wie bereits 2019 habe ich nur eine kleine Anzahl der ausgestellten Bäume fotografiert. Einerseits steht ein Fotograf ja häufig genug im Weg und versperrt den Betrachtern die freie Sicht auf die Exponate, andererseits möchte ich lediglich Eure Neugier anregen und Euch ermutigen, diese großartige Veranstaltung selbst einmal zu besuchen. Ihr könnt gewiss sein: Es lohnt sich!
Am meisten hat mich diese Waldpflanzung aus Rotbuchen (Fagus sylvatica) fasziniert. Leider kann dieses Foto den wuchtigen Eindruck der Gestaltung überhaupt nicht wiedergeben. Die Platte, auf der die Bäume gepflanzt sind, hat die Ausmaße einer Euro-Palette! Gut zu erkennen sind jedoch die feine Verzweigung sowie die Reife der gesamten Baumgruppe, welche mit zahlreichen Sonderpreisen ausgezeichnet wurde, unter anderem vom Bonsai-Museum Düsseldorf.
Welcher Baum könnte den kommenden Frühling besser ankündigen als eine Fuji-Kirsche (Prunus incisa), welche soeben die ersten Blüten zeigt? Dieser Bonsai in windgepeitschter Form - der Fachbegriff lautet »Fukinagashi« - wurde aus einer Pflanze aus dem Gartencenter gestaltet. Ein Beweis dafür, dass Bonsai nicht immer ein teures Vergnügen sein muß. Die strenge Schale in blassem Blau aus der Werkstatt von Greg Ceramics harmoniert sehr gut mit den leuchtend rosafarbenen Blüten dieser frühblühenden Zierkirschenart.
Den ersten Preis in der Kategorie Kifu konnte dieser japanische Shimpaku-Wacholder erringen. Als »Kifu« werden Bonsai mit einer Größe zwischen 20 und 40 Zentimetern bezeichnet. Dieser Baum ist ein Yamadori: Er wurde an einem vermutlich heftiger Witterung ausgesetzten Ort in der freien Natur ausgegraben, längere Zeit für sein Leben als Bonsai vorbereitet und gestaltet.
Beeindruckend ist bei einem derartigen Exemplar das beständige, weiß gebleichte tote Holz, von dem sich die leuchtend roten lebenden Saftbahnen abheben.
Eine ebenfalls bei Bonsaigestaltern sehr beliebte Pflanze ist die Varietät »Itoigawa« des Chinesischen Wacholders. Diese erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckte Zwergform unterscheidet sich vom »normalen« Chinesischen Wacholder durch ein erheblich langsameres Wachstum und feineres helleres Blattwerk. Auf der »Trophy« gezeigt wurde diese Felsform (Sekijoju) in einer Schale von Martine Geoffroy.
Diese Orientalische Hainbuche wurde in frei aufrechter Form (Moyogi) gestaltet. Der Stamm windet sich vom Wurzelansatz bis zur obersten Triebspitze leicht hin und her und vermittelt einen leichten, nahezu heiteren Eindruck. Fast könnte man meinen, der Baum habe sich bequem hingestellt. Der Yamadori befindet sich im Besitz einer kroatischen Bonsaimeisterin, welche schon mehrfach die »Trophy« mit beeindruckenden Exponaten bereichert hat.
Krummholz-Kiefern, auch Legfören genannt, gedeihen in Mittel- und Hochgebirgen bis auf Höhen von etwa 2700 Metern selbst an unwirtlichsten Stellen wie beispielsweise Felshängen. Diesem Bonsai scheinen Wind und Wetter jahre- wenn nicht gar jahrzehntelang schwer zugesetzt zu haben. Dennoch handelt es sich um einen vitalen Baum, dessen Widerstandskraft und Lebenswille ungebrochen ist.
Aus einer gänzlich anderen Vegetationszone stammt der Granatapfel. Der sommergrüne Baum wird seit Jahrtausenden im Mittelmeergebiet und dem Nahen Osten kultiviert. Zahlreiche Sorten wurden entweder der Frucht oder der feuerroten Blütenpracht wegen gezüchtet. Charakteristisch für Granatäpfel ist der Drehwuchs, welchen man am Stamm dieses Exponates deutlich erkennen kann. Sehr gut gefällt mir die Präsentation in einer alten chinesischen Schale aus der Shinwatari-Epoche (1911-1940) mit einer »Shirokouchi« genannten Glasur, welche eine herrliche Patina aufweist.
Von der Jury ausgezeichnet wurde diese Mädchenkiefer in einer Schale von Certrè Ceramiche. Beeindruckend der hohle Stamm, welcher die Geschichte eines langen Lebens erzählt. Zahlreiche widrige Umstände scheint dieser Baum erlebt zu haben, dennoch erfreut er sich bester Gesundheit.
Die Detailaufnahme zeigt die tiefe Höhlung im Stamm dieses Bonsai aus Pinus parviflora.
Eine dystopische Landschaft mit bewaffneten Gasmaskenträgern und einem Roboter präsentiert uns ein französischer Bonsaigestalter. Herzstück der Szene ist eine Chinesische Ulme, deren unbelaubte Äste und Zweige sich schlangengleich aus der Schale winden und in alle Richtungen zu tasten scheinen. Dieses Exponat erfreute sich großer Aufmerksamkeit, wurde aber recht kontrovers diskutiert. Mir gefiel's!
Betrachtet doch einmal diesen Forscher, welcher sich nur vorsichtig dem unbekannten Objekt nähert. Er hat sich mit einer Atemschutzausrüstung ausgestattet um etwaigen schädlichen Ausdünstungen der fremdartigen Kreatur zu widerstehen und hebt verteidigungsbreit seine Waffe.
Eine weitere Chinesische Ulme, diesmal über einen Felsen gepflanzt. Sekijoju nennt man diese Form, bei welcher die Wurzeln den Felsen umklammern und bis hinunter in die substratgefüllte Schale reichen. Die andere Felsenform, bei welcher der Bonsai lediglich in eine Höhlungen und Spalten im Stein wächst, wird als Ishisuki bezeichnet.
Die hellblaue, seidenmatte Schale von Greg Ceramics ist für diesen Bonsai wie geschaffen: Braune Muster in der Glasur nehmen die Bewegung der Wurzeln auf als würden sie uns einen Blick ins tiefere Erdreich gewähren. Dem Baum wurde eine Akzentpflanzung (Shitakusa) zur Seite gestellt, deren Schale mein besonderes Interesse gefunden hat. Ich zeige sie Euch noch einmal im Detail.
Nun aber genug der Exponate! Nur einen kleinsten Teil der ausgestellten Bonsai habe ich Euch gezeigt und bewußt meine Auswahl nicht auf die Preisträger beschränkt. Einerseits sollen die Fotojournalisten der wichtigsten Bonsai-Magazine Europas auch noch etwas zu tun haben und andererseits möchte ich Euch dazu ermutigen, die Ausstellung im kommenden Jahr selbst zu besuchen.
Zum Zeitpunkt, zu welchem ich diesen Artikel schreibe, ist als Veranstaltungstermin der 17. bis 18. Februar 2024 geplant.
Selbstverständlich bin ich nicht mit leeren Händen nach Hause gefahren: Neben Schnitzwerkzeugen zur Totholzbearbeitung aus dem Angebot von www.e-bonsai.cz habe ich mir vor allem zwei Jitta gegönnt. Das rechts gezeigte Jitta habe ich bei William Vlaanderen von samurai.nl erstanden. Das dunkelrote Jitta stammt von Paweł Kowalik. Während die erstgenannten Händler seit langem auf der »Trophy« bekannt sind und auch umfangreiche online-Shops betreiben, ist mir Paweł in diesem Jahr erstmalig aufgefallen. Leider hat er noch keine Website, aber ich werde seinen Stand im nächsten Jahr sicher wieder besuchen.
Die nächste Trophy findet am 17. und 18. Februar 2024 statt.